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Text: Jürgen Herdin
Die mit ihren etwa 25 000 Jahren recht betagte Dame aus der Wachau in Österreich soll aufgehübscht werden. Ein ganz neues Outfit wird sie bekommen, ein transparentes. Sie wird durchsichtig. Dabei aber muss die Lady, die ein unbekannter Künstler in der Altsteinzeit schuf – keine elf Zentimeter ist sie hoch – alle ihre Proportionen behalten. Der Auftraggeber besteht darauf, dass beim wohl bekanntesten Exponat des Naturhistorischen Museums in Wien die starken Hüften so bleiben, wie sie sind. Was auch für den extrem vorstehenden Bauch und andere Rundungen gilt.
Der „Beauty-Salon“ für die „Venus von Willendorf“ steht in Glems bei Metzingen. Es ist der Arbeitsplatz von Daniel Nedele. Der studierte Maschinenbauingenieur kennt sich in Sachen Fräs- und Drehtechnik perfekt aus. Was dem 37-Jährigen sehr zupass kam, als er sich vor über fünf Jahren selbstständig machte. Heute betreibt er einen exklusiven High-Tech-„Copy-Shop“. „4D Solution“ heißt Nedeles Unternehmen, in dem auch äußerst komplexe, bewegliche Funktionsbaugruppen für die Industrie hergestellt werden, „mit Teilen, an die keine herkömmlichen Fräsen mehr herankommen“, verrät Nedele.
Harte und gerade Kanten seien für die 3D-Apparaturen da ebenso wenig ein Problem wie innenliegende Konturen.
Ein komplettes Uhrwerk aus Polyamid hat Daniel Nedele auf diese Weise schon von der Maschine „basteln“ lassen, einen kleinen Kardanantrieb oder einen Ministoßdämpfer. Und den auch noch mit drei verschiedenen Farben. „Das alles ist aber zunächst nur für Demonstrationszwecke, um aufzuzeigen, was alles möglich ist“, sagt der Mann, der früher einmal Projektplaner für Sondermaschinen im Karosseriebau war – und der erfolgreich eine eigene Tiefbohrmaschine konstruiert hat. Seit 2007 ist der gebürtige Glemser sein eigener Chef.
Das „4D“ im Firmennamen ist übrigens „der Hinweis auf die vierte Dimension, die Zeit“, sagt Nedele schmunzelnd. Er ist in der Branche bekannt dafür, seine Präzisionsarbeit in äußerst kurzer Zeit liefern zu können. Auch wenn die 3D-Roboter dann eben den ganzen Tag laufen müssen. Selten vergehen vom Eingang bis zur Auslieferung mehr als drei Tage, für alles andere ist dann die Post zuständig.
Schicht für Schicht fügen die Automaten die Vorlage zu einer perfekten Kopie zusammen, die Ansicht im Rechner ist wie die eines Computertomographen in der Medizin. „Spezielle Anforderungen benötigen eben besondere Leistungen“, teilt Nedele seinen Kunden auf der Homepage mit. Im Angebot hat seine „Kopierwerkstatt“ so das „selektive Laser-Sintern“, bei dem auch Metalle verarbeitet werden können, sowie die „Stereolithografie“ für glasklare Designmodelle wie Autoscheinwerfer oder Blinker. Denn 3D-Vollfarbdruck liefert Nedele ebenso wie 3D-Scans oder „FDM“, den Werkstückaufbau durch Extrusion, also das Pressen eines aufgeschmolzenen, drahtförmigen ABS-Kunststoffs. Relativ neu ist das Angebot, für Architekten mehrfarbige Gebäudemodelle zu erstellen. „Es werden neue, noch flexiblere Materialien kommen, möglicherweise können wir auch einmal mit Gummi arbeiten. Auf jeden Fall schaue ich mich ständig um – und über den Tellerrand des schon vorhandenen hinaus“, betont Nedele.
Nun ist die Venus aus Österreich ein sehr reizvolles Projekt. Interessanter ist das allemal als Plastikbesteck oder Margarinedosen herzustellen. Aber auch das wird natürlich nachgefragt. Vor allem aber hat es 4D Solution mit CAD-Vorlagen selbst hochkomplexer, filigraner Bauteile zu tun, die Nedele für seine Kunden zum Beispiel in spezielle Dateien umwandelt. Und mit denen füttert er dann seine 3D-Drucker.
Als „Hardware“ bekommt das Gerät ein spezielles, nicht ganz billiges Kunststoff-Pulver. Dann „backt“ der digitale High-Tech-Ofen eine auf hundertstel Millimeter genaue Kopie der Vorlage. Bis zu zehn Stunden kann ein solcher Arbeitsgang dauern. Aber Präzision dauert eben etwas länger.
Dann aber geht es ruckzuck. Daniel Nedele kennt die Nöte der Industrie und Auftraggebern aus anderen Branchen. „Am besten sollte das Produkt ja schon fertig sein, kaum dass der Auftrag eingegangen ist“, sagt er – und lächelt. Nedele ist in Kundenkreisen auch bekannt für seine Schnelligkeit.
„Rapid Prototyping – alles aus einer Hand“, mit diesem Pfund kann der Glemser wuchern. Ja, früher mögen 3D-CAD-Modelle ein Wettbewerbsvorteil gewesen sein, „heute sind es die Rapid-Prototyping-Modelle. Wir fertigen direkt aus 3D-CAD-Daten“, und das geht schneller denn je zuvor.
Der 3D-Digitalisierer von Nedele arbeitet mit den neuesten Kamerasensoren samt der dazu gehörigen Mess- und Projektionstechnolgie. Dank seines Stereokamerasystems liefert er äußerst präzise 3D-Daten. Und darauf kommt es an. Denn die in Glems hergestellten Produkte sind oft Teile, „die danach in teuren Spritzgussformen landen sollen. Beziehungsweise aus ihnen entstehen Gussformen für die industrielle Präzisionsfertigung.
Und selbst vor lackierten Bauteilen, glänzenden Oberflächen und feinsten Strukturen kapitulieren Nedeles 3D Scanner und 3D Drucker nicht. Alle Messdaten sind in jedem Fall vollständig. Mittels einer „Blue Light Technologie“ wird der 3D-Scan auch nicht mehr durch äußere Lichteinflüsse beeinträchtigt. Auf dieser Basis können dann kleinste Teile wie Schmuck oder Mini-Gussteile hergestellt werden. Aber auch große Freiformflächen wie zum Beispiel Automobilkarossen oder gar Turbinenschaufeln.
Klar, die Konkurrenz in dieser boomenden Branche schläft nicht. Doch Nedele weiß auch um seine Alleinstellungsmerkmale, zum Beispiel den Komplettlösungen samt Rundum-Service – und dass seine Auftraggeber von der Wertarbeit bei 4D Solution überzeugt sind.