ProFirma Fachartikel Heft 11/2010
Ingenieure und Designer wollen messen und testen, bevor ein Produkt in Serie geht. Dafür brauchen sie den Prototypenbau. Inzwischen sind einige Verfahren sogar effizient genug, um mit der klassischen Produktion zu konkurrieren.
Der Tisch im Showroom des Metzinger Unternehmens 4D Solution sieht aus wie eine Installation der amerikanischen Pop-Art-Ikone Andy Warhol: In der Mitte dominiert der schnörkellose Tank einer BMW R 1100 GS; rundherum stehen der nackte Korpus einer Spielkonsole, ein Joghurtbecher und eine Miniatur-Grabsteinplatte mit Ritter zwischen Zylindern, Kolben und Kügelchen aus Metall, Keramik und Polyamid. Vielfalt ist Standard im Prototypenbau. Ein Designer habe ihn mal gefragt, ob er auch High Heels aus Titan liefern könne, erzählt Marco Edlmayer. „Technisch wäre das kein Problem“, sagt der Vertriebs- und Marketingleiter von 4D Solution.
Viele Anwendungsgebiete
Die Anwendungsmöglichkeiten beim Rapid Prototyping sind nahezu unbegrenzt: „Die meisten unserer Kunden kommen aus dem Maschinenbau“, sagt Edlmayer. Aber auch die Kunststoff- und Verpackungsindustrie, Architekten, Agenturen, Designer oder Medizintechnikhersteller nutzen die Technik, um Urmodelle oder Kleinserien zu produzieren. Selbst kleinere Gewerbetreibende und sogar ambitionierte private Modellbauer haben schon bei dem Metzinger Unternehmen angeklopft, um sich schicke Unikate oder Accessoires für die Geschäftsräume bauen zu lassen. „Die Miniatur-Grabsteinplatte haben wir für das Archäologische Landesamt Dresden gemacht“, erzählt Edlmayer. Die etwa 20 mal 10 Zentimeter große maßstabsgetreue Platte kostet in der Herstellung rund 100 Euro und dient als Anschauungsstück oder wissenschaftliches „Ersatzteil“ für die schwere Grabsteinplatte.
Ursprünglich wurden Lasersintern, Stereolithografie, Fused Deposition Modeling und 3D-Druck vor allem im Maschinen- und Werkzeugbau gebraucht, um aus Konstruktionsdaten möglichst schnell Musterbauteile zu fertigen, mit denen man Durchflussmengen, Druck, Kompatibilität oder auch die Kundenwirkung messen kann. Heute gibt es etwa 15 Verfahren, mit denen sich – unter Nutzung physikalischer oder chemischer Effekte – Werkstücke schichtweise aus formlosem oder formneutralem Material aufbauen lassen. Meist werden dabei 3D-CAD-Daten mittels STL (Surface Tesselation Language) übertragen, einem Verfahren, das die Oberfläche durch Dreiecke beschreibt. Die jeweilige Maschine – ein Lasersintermaschine oder 3D-Drucker – bringt die gelieferten Daten dann „in Form“.
Eines der ältesten Rapid-Prototyping-Verfahren ist die Stereolithografie. Dabei steuert ein Computer auf Basis der 3D-CAD-Daten über bewegliche Spiegel einen Laser, der eine Wanne mit flüssigem, lichtempfindlichem Kunststoff (zum Beispiel Epoxidharz) abtastet. Wo der Laser auftrifft, verfestigt sich das Harz, sodass Schicht für Schicht das gewünschte Modell in der zähen Masse heranwächst.
Beim 3D-Druck wird ein Mineralstoff-Polymer-Gemisch schichtweise aufgetragen; abgesehen von der zusätzlichen Dimension, der Zugabe eines speziellen Härtemittels und dem Preis des Druckers unterscheidet sich das Verfahren kaum vom herkömmlichen, zweidimensionalen Tintenstrahldruck.
Weil einige dieser Fertigungsverfahren in Sachen Qualität und Herstellungskosten inzwischen sogar mit klassischen Serienproduktionsverfahren konkurrieren können, geht der Trend vom Rapid Prototyping zum Rapid Manufacturing, also zur direkten Produktion von Werkzeugen oder Bauteilen für die Industrie. „Die Herstellung der Vakuumplatte für den Fahrgestellpräger eines aktuellen BMW-Modells kostet mit dem klassischen CNC-Fräsverfahren rund 1.000 Euro – wir produzieren sie in gleicher Qualität für die Hälfte“, sagt Edlmayer. Das Kunststoffteil ist ein Beleg dafür, dass 4D Solution zu Recht auch in der Produktion Chancen sieht; auch „weil es inzwischen für fast jedes Material geeignete Verfahren gibt“, so Edlmayer. Während früher fast nur Kunststoffe für den Prototypenbau verwendet wurden, erzeugen die Maschinen heute auch Werkstücke aus verschiedenen Metallen, Keramik, Papier oder sogar Beton.
Die Schwierigkeit bestehe häufig allerdings darin, potenzielle Kunden zu überzeugen, erklärt 4D Solution-Geschäftsführer Daniel Nedele. Denn trotz der strategisch günstigen Lage – in unmittelbarer Nähe zu vielen kleinen Maschinenbau- und Zulieferbetrieben der Automobilindustrie – fällt es ihm nicht leicht, gestandene Unternehmer vom Drehen und Fräsen abzubringen. „Manchmal ist es mühsam, aber in der Produktion konkurrieren wir mit lange etablierten und bewährten Verfahren, die keiner von heute auf morgen über Bord wirft“, sagt der Ingenieur.
Autor: Christoph Lorenz